Barockschrank

Barockschrank Breslau, Kunsthandel Mühlbauer

Barockschrank

Barockschrank

„Meisterstück“  Breslau, um 1765/70

Nussbaum-, Bergahornmaser-, Buchsbaum-, Ahorn- und Amaranthholz, zum Teil gesengt, gefärbt und graviert, Elfenbein und Zinn mit Gravuren, diese schwarz und rot ausgerieben.

230 × 219,5 × 80 cm

In Breslau wurde im 18. Jahrhundert als Meisterstück im Schreinerhandwerk ein aufwendig verarbeiteter Kleiderschrank in korinthischer oder „komposischer“ Ordnung gefordert. Die Realisierung eines derartigen Möbels verlangte nicht nur die Fähigkeit zur Anfertigung der Risszeichnung, sondern auch die vollkommene Beherrschung der diversen Holzverarbeitungsmethoden. Der Zeitaufwand (auch dessen Begrenzung auf 36 Wochen) und vor allem der kostspielige Materialeinsatz stellten eine Kontribution dar, an der sicher nicht wenige Gesellen scheiterten, die dann in der Anonymität verschwanden und auf der sozialen Rangstufe des Gesindes verharren mussten.

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Das barocke Meisterstück aus Breslau

Die verkröpfte, architektonisch durchgegliederte Front des Schrankes zeigt auf den hochovalen, von Bastionsfüllungen umrahmten Türfeldern unter einem Baldachin mit Cherubinköpfen verzierte Konsolen, deren Boden in Schachbrettmosaik ausgeführt ist. Darauf stehen allegorische Figuren: zur Linken die Göttin Juno mit Krone und Zepter – als Königin aller Götter steht sie für Geburt und Ehe. Zur Rechten: Pallas Athene mit Helm und Speer als Göttin der Weisheit und der Künste.

Die Seiten sind dekoriert mit auf Schleifenbändern gehängten Lorbeerkränzen – darin Flöte und Laute spielende Frauen als Allegorie auf die Musik. Die vertieften Medaillons auf jedem Pilasterschaft zeigen ebenfalls Allegorien.

Der Spiegel des mittleren Pilasterovals lässt sich nach oben verschieben und gibt somit das Schlüsselloch frei, durch welches mit dem original erhaltenen Schlüssel das reich verzierte Schloss gesperrt werden kann.

Die Innenseiten der Türflügel sind sorgfältig kassettiert und die Rückwand, aus zwölf kleinen Kassetten mit exakt gearbeiteten Rahmen und Füllungen zusammengesetzt, alles ausgeführt aus massivem Eichenholz. Ebenfalls sind die Schnitzereien der Kapitelle sowie die kupferstichartigen Gravierungen derart ausgereift, dass eine qualitative Steigerung nur schwer vorstellbar ist.

Die verwendeten, zum Teil importierten Furnierhölzer (Amaranth) spiegeln den Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Verfertigers wider. Teure, fremdländische Rohstoffe (Elfenbein) finden sich nur, wenn die Kosten durch einen potentiellen Abnehmer gedeckt waren oder der Geselle auf Kapitalreserven seiner Eltern zurückgreifen konnte. Darüber hinaus hatte er nicht nur an einer raffiniert gestalteten Fassade seine ganzen technischen und künstlerischen Fähigkeiten auszuspielen, sondern bewies gleichzeitig anhand der Rückwand mit den exakt ausgeführten Kassettierungen, dass er die diversen Grundregeln der Holzverarbeitung und Holzverbindung bestens handhaben konnte. Der rare Werkstoff Elfenbein gehörte allein schon aufgrund seiner exotischen Herkunft zu den bevorzugten Materialien barocken Kunsthandwerks. Die Assoziation menschlicher Haut mit der weich schimmernden Oberfläche des weißen Materials hat eine lange Tradition, die auch in den bildhaften Vergleichen barocker Liebeslyrik wiederholt herangezogen wurde. 



Zur Entstehungszeit des Möbels um 1765/70 waren im preußischen Breslau bereits die Vorboten des Frühklassizismus zu erkennen. So gliedern beispielsweise die auch auf den Schrankseiten dekorierten, typischen Lorbeerblattgehänge des antikisierenden „Zopfstils“ die Fassade des um 1765 errichteten Hatzfeldtschen Stadtpalais.



Der vorzügliche Erhaltungszustand des Schrankes ist in erster Linie auf die hervorragende Verarbeitung, die bislang fast jede Art von Altersschäden vermieden hat, zurückzuführen und zeugt von der hohen Wertschätzung, die von Anbeginn einem solchen Möbel entgegengebracht wurde.

Ähnliche Schränke befinden sich im Museum für Kunst- und Kulturgeschichte, Dortmund, dem Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg, dem Museum für Kunsthandwerk, Frankfurt a. M. sowie der Sammlung Lemmers Danforth in Wetzlar.

Somit steht dieses subtil gearbeitete „Breslauer Meisterstück“ als hochrangiger Repräsentant der deutschen Möbelkunst am Übergang des späten Rokoko zum Frühklassizismus.