Kunstkammerobjekt

Kunstkammer Relief von Johann Andreas Thelott, Kunsthandel Mühlbauer

Kunstkammerobjekt

Kunstkammerobjekt

Johann Andreas Thelott (1655 – 1734)

Figürliches Relief im originalen Prunkrahmen
Augsburg um 1700

Relief: Silber, gegossen und getrieben, graviert, ziseliert und punziert, weiß gesiedet.
Rahmen: Vergoldetes Silber, grünes Transluzid-Email.

14,1 × 15,5 cm

weitere Abbildungen

Die Szenerie in einem königlichen Säulensaal suggeriert die vom Künstler gewünschte Tiefenwirkung des Reliefs.

Dargestellt sind zwei Gruppen von höfisch gekleideten Orientalen, zur Linken auf einem Podest um einen Fürsten mit Zackenkrone auf dem Turban versammelt, zur Rechten ein auf einem Eberfell herantretender Bittsteller mit seinem Gefolge. Im Vordergrund zwei mit Hunden spielende Knaben. Die vier Vordergrundfiguren ebenso wie die Hunde, eine der Säulen sowie die Deckenlampe in fast freiplastischem Relief, die anderen Personen dahinter nur wenig flacher reliefiert, die äußerst feinen Details kunstvoll graviert.

Um die Plastizität des Reliefs noch zu steigern, ging Thelott über die äußerste Ausdehnung des getriebenen Silberblechs hinaus und gewann durch vorgesetzte und aufgelötete Teile noch mehr Tiefenraum – ein typisches Detail, welches wir bei einer ganzen Reihe bedeutender Reliefs, die die hohe bildnerische Begabung dieses Meisters erkennen lassen, finden.

Nach Fertigstellung wurde das Relief durch sog. „Weißsieden“  veredelt, um ihm eine damast-ähnliche, seidige Ausstrahlung zu verleihen. Bei diesem Prozess wird das Werkstück in glühendes Kohlenfeuer gehalten, bis in Folge der Oxidation des in der Legierung enthaltenen Kupfers an der Oberfläche ein schwarzer Überzug entsteht, der dann mittels verdünnter Schwefelsäure entfernt wird und somit an der Oberfläche die reine, weiße Silberschicht zurückbleibt.

Der prunkvolle Rahmen besteht im Inneren aus einem tauartig guillochierten, grünem Transluzid-Emailband, das in der Mitte der vier Hauptrichtungen durch jeweils kreuzförmig mit Bändern überschnürten Lorbeerblättern aus vergoldetem Silber überfangen ist. Die äußere Rahmung aus einem dicken, umschnürten Lorbeerkranz, dessen mit Quasten verzierte Enden zu einem symmetrischen Aufsatz ornamental verschlungen sind. Die Rückseite des Reliefs ist durch eine dick vergoldete, gemuldete Silberplatte, dekoriert mit Hammerschlag-Relief, abgedeckt.

Das offensichtlich als Sammelstück für den (vielleicht russischen) Hof gedachte Relief gehört zu den Werken, die dem Augsburger Goldschmied Johann Andreas Thelott bereits im 18 Jh. den Ruf des „berühmtesten Künstlers in getriebener Arbeit“ (Paul von Stetten, 1779) einbrachten.

Johann Andreas Thelott wurde am 10.04.1955 in Augsburg geboren. Er entstammt einer Künstlerfamilie französischer Herkunft, die seit 1585 in Augsburg nachweisbar ist. Sein Vater, Israel Thelott war bereits Goldschmied und wird seinen Sohn vermutlich frühzeitig in sein Handwerk eingeführt haben. 1687 scheint er sich in Rom aufgehalten zu haben und lieferte zwei Jahre später in Augsburg sein Meisterstück ab.

Die in der Fülle ihrer Details ungeheuer lebendige Darstellung ist vermutlich eine der „schönen Erfindungen“ Thelotts, die wie seine „Kenntnis der alten Geschichte, der Fabel, der heidnischen Götterlehre und der Allegorie“ besonderes Lob fanden. Die große Zahl der in Augsburg gleichzeitig tätigen Goldschmiede nötigte Thelott sich zu spezialisieren. Er schuf hauptsächlich figürliche Silberreliefs, wobei sich „im Laufe seiner Entwicklung der Schwerpunkt seiner Arbeit aber auf das zweckfreie Relief verlagerte, das als erzählendes Bild von einem Zierrahmen umschlossen wurde“. (H. Prael-Himmer, S.11).

Ein sehr ähnliches Relief mit Darstellung der „Allegorie der Künste und der Wissenschaften“ signiert und datiert „J.A.Thelott“ befindet sich im Museum für Kunst- und Kulturgeschichte in Schloss Cappenberg, Dortmund (Inv.Nr. C 5440 a, b, abgebildet in Manfred Meinz, Schönes, altes Silber, Abb.416). 

Weitere Arbeiten Johann Andreas Thelotts im Badischen Landesmuseum Karlsruhe, Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, Kunsthistorischen Museum Wien sowie der Eremitage in St. Petersburg.

Provenienz

Privatsammlung, Süddeutschland

Literatur
  • Heidi Prael-Himmer: Der Augsburger Goldschmied Johann Andreas Thelot. Forschungshefte, Hrsg. Bayerisches Nationalmuseum München, Deutscher Kunstverlag, 1978, S. 9 ff.
  • Helmut Seling: Die Kunst der Augsburger Goldschmiede, München 1980, Band I, S. 136 / Abb. 615 – 632)
  • Bayerisches Nationalmuseum München (Hrsg.): Silber und Gold, Augsburger Goldschmiedekunst für die Höfe Europas, München 1994, S. 117 ff